Staatliche Verschuldung

Die staatliche und hier im Speziellen die kommunale Verschuldung, die hauptsächlich durch den Bund und die Länder entsteht, hat mehrere auslösende Faktoren.

Im Folgenden möchte ich mir erlauben, ein paar tiefergehende Erläuterungen zu diesem wichtigen Thema vorzustellen, da auch der Landkreis Helmstedt, in dem ich wohne eine hohe Verschuldung aufzuweisen hat.

Welches sind meiner Meinung nach die auslösenden Faktoren für die bestehende Situation in Niedersachsen und damit auch im Landkreis Helmstedt?

1. die Festsetzung der Legislaturperioden auf 4 oder 5 Jahre und die damit verbundenen Versprechungen politiscber KandidatInnen auf Landes- und Bundesebene stellen m. E. einen wichtigen Faktor dar. Um die im Wahlkampf geäusserten Versprechen einlösen zu können, bedarf es der entsprechenden Finanzierungen, um die Wahlversprechen einhalten zu können. Die notwendigen Gelder sind bekanntlich kaum oder nicht vorhanden und Steuererhöhungen kommen bei der Wählerschaft nicht gut an. Was also bleibt, ist die Erhöhung der staatlichen Verschuldung. Vielleicht ist es gut, dass die Finanzen einen begrenzenden Faktor darstellen, doch man schaue einfach auch selbst genauer hin und wird feststellen, dass dieser Verschuldungsfaktor häufig ist.

2. Das Verlassen des Konnexitätsprinzips durch Bund und Länder resp. das gesetzlich geregelte Ausbleiben der Finanzierung der auf die Kommen durchgedrückten Aufgabenstellungen ist m. E. ein zweiter sehr wirksamer Verschuldungsfaktor.
Plastisches aktuelles Beispiel: der Ausbau der Kinderbetreuungplätze.
Der Bund erlässt Gesetze, die die Kommunen zur Ausführung zwingen, stattet aber die gestellte und durchgereichte Aufgabenstellung nicht mit einer adäquaten Finanzierung aus.
Ein mehr im Hintergund und der Öffentlichkeit nicht so geläufiger Auslöser der kommunalen Verschuldung ist die Bezahlung der Wohnversorgung der sog. ALG II-EmpfängerInnen, für die die Kommunen zunächst aufzukommen haben. So wird im Haushaltsplan 2011 des Landkreises auf S. V3 angeführt: „Maßgeblich für die Fehlbeträge der letzten Haushaltsjahre ist darüber hinaus eindeutig die Belastung durch die sozialen Leistungen. Hat der Anteil an den Sozialaufwendungen (Sozialhilfe, Jugendhilfe, Unterkunftskosten nach dem SGB II u.ä.)im Jahre 1974 nur rd. 12,4 % an den Gesamtaufwendungen betragen, so ist unter Berücksichtigung von wesentlichen strukturellen Änderungen in der Leistungsgewährung wie z.B. die Einführung der Pflegeversicherung insgesamt bis zum heutigen Tage ein Anstieg von über 140 % zu verzeichnen.“ Und weiter aus demselben Bericht S. V3:“ Rd. 54 % des Fehlbedarfs der Sozialhilfeaufwendungen werden über den Kreishaushalt abgedeckt, was zu Lasten der übrigen wahrzunehmenden Aufgaben geht. Dennoch bleibt eine Finanzierungslücke, die ausnahmslos den Sozialleistungen anzulasten ist.“

3. Der grundlegendste VERSCHULDUNGSMECHANISMUS ist m. E. der sog. Zinses-Zins-Effekt, also eine, bildlich gesprochen, Verschuldung aus sich selbst heraus. Da die Zinseffekte stets einige Prozentpunkte höher liegen als die Zuwächse des Brutto-Inlands-Produkts (BIP), können die Einnahmezuwächse bei den Steuern auf das zunehmende BIP den Zinses-Zins-Effekt niemals kompensieren. Dieses ist der eigentliche Motor für einen Teufelskreislauf, aus dem es bei Fortbestehen des ihm zugrundeliegenden Legalitätsformalismus KEIN Entrinnen gibt. Da kann auf den staatlichen Ebenen gespart werden, bis der letzte Bleistift verbraucht worden ist – es gibt KEINERLEI Abmilderung des eben dargestellten Verschuldungsmechanismus. Wie auch immer die Schulden zuistande gekommen sind, ab einer bestimmten Grenze gibt es kein Zurück mehr.
Rechnen Sie einmal selbst. Ich stelle hier eine einfache Milchmädchenrechnung an, die einen Rückzahlungsmechanismus von einem Wert ausgehend extrapoliert. Mit jeder einzelnen Sekunde, die gewartet wird, wachsen die Schulden des Staates um rund 1.000 Euro. Macht 60.000 Euro pro Minute oder 3,6 Millionen Euro pro Stunde oder 86, 4 Millionen Euro am Tag oder mehr als 31,5 Milliarden Euro pro Jahr. Und nun rechnen Sie bei Lust und Laune einmal einen Zinseszinseffekt ein und machen diese Milchmädchenrechnung zum selben Tagesdatum wie heute. Bei einem Zinssatz von 4% gehen Sie dann von einem Wert von 1040 Euro pro Sekunde aus – und das OHNE die Neuverschuldung – und werden einen immens gestiegenen Jahreswert errechnen.

Welche Wege gibt es aus diesem Teufelskreislauf? Ich möchte im Folgenden zu einer Diskussion beitragen, die wirklich jeder für sich, im Freundeskreis oder eben in seinem gesellschaftlichen Umfeld führen kann.

Nach meinem persönlichen Dafürhalten ist zunächst eine grundlegende und damit weitreichende und durchaus auch folgenschwere Entscheidung zu fällen.

Und zwar die Entscheidung, ob man sich dem eigentlichen Verschuldungsmechanismus und seinem Faktorengefüge widmen möchte, oder ob man das auslösende Faktorengefüge als Gott gegeben hinnimmt und sich der Symptombekämpfung widmet. Ich habe den Eindruck, dass die Bekämpfung von Symptomen deutlich beliebter ist, als die Version, sich der Ursache, folglich dem auslösenden und eigentlichen Wirkmechanismus zu widmen. Deshalb werde ich zunächst den Begriff Symptombekämpfung etwas genauer beschreiben.

Eine Symptombekämpfung ist aus vielerlei Gründen heraus einfacher. Man bewegt sich prinzipiell in einem gegebenen gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmen, den man bei einer solchen Vorgehensweise nicht in Frage stellt. Somit kann man innerhalb des gegebenen „Spielfelds“ relativ einfach und meist sogar gesellschaftlich gewürdigt Meriten (Vergünstigungen) erwerben, also Ruhm, Ehre und Einfluss sowie Geldzuwächse erarbeiten, da das Wirkprinzip als Grundlage für die Symptombekämpfung „wie von Gott gegeben“ verwendet werden kann. Gesellschaftliche Härten und persönliche Einbußen werden dabei oft als „notweniges Übel“ – als ein MUSS für die Heilung kommuniziert.

Die geläufigsten Instrumentierungen für die Symptombekämpfung sind geradezu ubiquitär und können für jeden Interessierten als allgegenwärtiges Wissen sehr leicht abgerufen werden. Leider führend diese Instrumente nach meiner persönlichen Ansicht nicht zu einer Aufhebung des Ursachengefüges, sondern verschleppen sie nur zu Ungunsten des Patienten, um es einmal im medizinischen Kontext auszudrücken. Vergegenwärtigen wir uns dazu ein Beispiel, um die hier dargelegte Argumentation zu untermauern.
Um die staatliche Verschuldung zu verringern, werden im Bereich der Symptombekämpfung für gewöhnlich folgende Szenarien angeboten:
1. Konsolidierung
2. Effizienzsteigerung
3. Subventionsabbau
4. Förderalismusreform
5. Steuerreform
Es gibt viele verschiedene Kombinationen der dargestellten Handlungsszenarien und die Folgen sind allgegenwärtig und ich denke behaupten zu dürfen, individuell als auch gesellschaftlich deutlichst spürbar. Mit diesen hier wiedergegebenen Handlungsszenarien geht nachweislich ein eklatanter sozialer Abbau einher. Ganze Bevölkerungsschichten rutschen in die Armut ab mit der Folge, dass die Staaten in der Folge dessen mit durchgreifendsten Wirkungen im Steueraufkommen und beim sozialen Frieden zu rechnen haben. Eine für mich als Demokrat sehr negative und nicht mehr hinnehmbare Wirkung ist der umfassende Abbau von demokratischen Strukturen.
Eines der prominentesten Ereignisse in diesem Kontext stellt die Verschuldung Deutschlands verursacht durch die Reparationsverpflichtungen nach dem 1. Weltkrieg dar. Die einschlägige Literatur verweist sehr häufig darauf, dass diese Verschuldung und das Nicht-Leisten-Können Deutschlands für die internationale Börsenkrise und in der Folge mit verantwortlich für das Scheitern der Weimarer Republik war. Ähnlichkeiten mit heutigen Geschehnissen sind nicht mehr von der Hand zu weisen.

Nun zu einem Instrument, das ich unter der Ruibrik Ursachenbekämpfung einmal etwas eingehender betrachten möchte.
Wie jeder nachvollziehen kann, ist eine Ursachensuche und -behandlung deutlich tiefgreifender. Allerdings ist sie auch kritischer, wowohl was den Einzelfall angeht wie auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Integrität der handelnden Personen. Dennoch gibt es sehr prominente Beispiele aus der Vergangenheit wie auch der Gegenwart. Es sei gleich angemerkt, dass ein Schuldenerlass nicht das Allheilmittel ist, um die staatliche Verschuldung in den Griff zu bekommen. Dazu führe ich weiter unten noch etwas aus.

Eines der prominentesten Ereignisse in diesem Zusammenhang ist der Schuldenerlass durch das sog. Londoner Abkommen von 1953, das Deutschland knapp 30 Milliarden DM Schulden erliess. Die einschlägige Literatur macht dieses Ereignis als Hauptfaktor für den späteren Wiederaufbau Deutschlands und das sog. Wirtschaftswunder verantwortlich. Es war also eine Kombination von einem Schuldenerlass mit bestimmten Verfahrens und Verhaltenscodices, der Deutschland dazu verhalf, ein herausragendes „Wirtschaftswunder“ zu vollbringen.

Um den hier beschriebenen Teufelskreis der staatlichen Verschuldung zu unterbinden, bedarf es meiner Meinung nach einer Mischlösung.
Zu Beginn steht die Ursachenbekämpfung in Form eines Schuldenerlasses für die Kommunen. Dieser Schuldenerlass wird mit Verhaltensmaßregeln für die Symptombekämpfung kombiniert, damit es nicht erneut zum Ausbruch der Verschuldungsmechanismuses kommt, wie z. B. und u.a. eines konsequenten „Wer bestellt, bezahlt auch-Verhaltenscodes“.

Somit tendiere ich persönlich zu einer anderen Vorgehensweise als die der Schuldenübernahme des Landes Niedersachsen, die nur unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Fusionen der Gebietskörperschaften) stattfinden darf. Diese Vorgehensweise hebt m. E. den Verschuldungsmechanismus und damit die Schuldenursachen NICHT auf. Und somit laufen die kommunalen Gebietskörperschaften Gefahr, erneut in die bestehenden Schuldenfallen zu laufen.

Allerdings steht es für mich persönlich auch nicht zur Disposition, dass eine verbesserte Zusammenarbeit zu spürbaren Kostenersparnissen und Wirksamkeitsverbesserungen bei allen administrativen Ebenen führt. Doch das alleine den Kommunen aufzubürden halte ich für den falschen Weg.
Die bestehenden kommunalen Strukturen sind seit vielen Jahrzehnten eingespielt und es kostet mehr Energie und damit Geld, sie völlig neu zu organisieren als sie Stück für Stück durch ebenfalls eingespielte Kooperationsabläufe wirksamer zu gestalten. Solange man sich vor Ort noch kennt, ist die staatliche Verwaltung sehr wirksam und wird von uns BürgerInnen weitestgehend akzeptiert und vor allem demokratisch kontrolliert und mitgestaltet. Je weiter sie von den BürgerInnen entfernt ist oder, wie jetzt avisiert, entfernt wird, desto häufiger treten folgenschwere demokratische Defizite zu Tage. Die einst propagierte REGION Hannover wird meiner Meinung nach überwiegend als Beispiel für so einen mislungenen Versuch in der Fachliteratur genannt. Die einst hoch gelobten Zweckverbände wie z. B. der Zweckverband Großraum Braunschweig werden m. E. in dem gleichen kritischen Kontext dargestellt.

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